Von Menschen, Bakterien und Jungbrunnen

Menschen funktionieren wie Verbrennungsmaschinen,
wenn auch wie sehr komplizierte Maschinen – sagt der Thermodynamiker.
Menschen essen energetisch hochwertige Nahrung, verdauen sie ähnlich wie ein Verbrennungsmotor den Treibstoff verbrennt und scheiden die Reste aus.
Menschen betreiben mit der dabei freigesetzten Energie alle ihre Lebensaktivitäten.
Themodynamiker kennen sich damit aus, wie Energie bei chemischen und technischen Prozessen umgesetzt wird.

Menschen funktionieren wie Computer,
wenn auch wie sehr komplizierte Computer – sagt der Informatiker.
Menschen erfassen äußere und innere Reize, verarbeiten und bewerten sie und steuern mit dem Ergebnis das, was sie tun.
Die Energie dazu stammt aus der Verdauung der Nahrung.
Informatiker kennen sich damit aus, wie Maschinen und Automaten Informationen verarbeiten.

Menschen funktionieren wie Tiere,
wenn auch wie sehr komplexe Tiere – sagt der Biologe.
Menschen waren einst Jäger und Sammler.
Menschen gestalten heute ihr Biotop selbst und erweitern damit ihren Lebensraum mehr als die meisten Tiere.
Menschen kultivieren dazu Pflanzen und Tiere.
Menschen verschaffen sich heute im Vergleich zu Jägern und Sammlern mehr zu essen, zu verdauen.
Menschen verschaffen sich Nahrungsreserven für Zeiten, in denen sie ihr Gehirn einfach nur so gebrauchen.
Biologen kennen sich damit aus, wie Lebensvorgänge ablaufen, wie Lebewesen wachsen, sich fortpflanzen, sterben und wer wen dabei frisst.

Menschen funktionieren wie forschende Spieler,
die auch sehr komplizierte Gedankenspiele vollführen – sagt der Philosoph.
Gedankenspiele erzeugen Wissenschaft, Mathematik und Vorurteile.
Gedankenspiele sind Basis der Forschung, die wiederum die Menge des Denkbaren erweitert und präzisiert.
Gedankenspiele um das Problem der Gerechtigkeit erzeugen Modelle von Rechts- Staat- und Wirtschaftssystemen.
Aber regelmäßig widerlegt die Wirklichkeit die Modelle.
Menschen spielen und treiben auf die Dauer nur dann Gedankenspiele,
wenn sie etwas zum Verdauen haben,
wenn ihr Gehirn geistige Nahrung erhält und
wenn sie in ihrem Biotop nicht einfach aufgefressen werden.
Philosophen versuchen, Prinzipien der Wahrheitsfindung zu erkunden.
Philosophen heißen übersetzt „Wissen und Wahrheit Liebende“.
Ein Philosoph meinte schon vor über 2000 Jahren: „Wer weiß, dass er nichts weiß, weiß am meisten.“

Menschen schaffen durch Einsatz ihrer Arbeitskraft Mehrwert
oder sind Kapitalisten – sagt der Marxist.
Menschen schaffen durch Einsatz ihrer Arbeitskraft auf die Dauer nur dann Mehrwert,
wenn sie etwas zum Verdauen haben,
wenn ihr Gehirn arbeitet und
wenn die richtigen Arbeitsmittel bereit stehen.
Marxisten kennen sich mit dem Marxismus aus.
Marxisten mögen meist keine Kapitalisten, auch wenn sie selbst vor lauter Marxismus zu Kapitalisten geworden sind.

Menschen funktionieren als Konsumenten
und oft auch als Produzenten – sagen der Betriebswirt und der Volkswirt.
Menschen in arbeitsteiligen Gesellschaften können nicht alles, was sie brauchen, selbst sammeln oder herstellen.
Menschen besorgen sich den Rest die durch Tausch oder Kauf – zum Konsumieren.
Menschen konsumieren und produzieren auf die Dauer nur dann,
wenn sie etwas zum Verdauen haben und
wenn sie etwas zum Tauschen oder Geld zum Bezahlen haben.
Inwieweit das eigene Gehirn der Menschen zum Konsumieren arbeiten muss, lassen wir hier offen.
Menschen empfinden das Konsumieren immerhin meistens als freiwillige, eigene Handlung.
Menschen sind manchmal stolz auf das, was sie produzieren.
Betriebswirte und Volkswirte kennen sich mit Geld aus.
Betriebswirte und Volkswirte beschreiben gerne mit Zahlen, wie das Geld hin und her, im Kreis oder auf die Konten Reicher fließt.
Menschen erscheinen in diesen Beschreibungen oft nur als Zahlen.
Menschen hinter diesen Zahlen merken das aber nur gelegentlich.

Menschen funktionieren als Sklaven.
Sklaven befiehlt man, was sie tun sollen – sagt der Sklaventreiber.
Menschen sind meist unfreiwillig Sklaven, können aber auch Sklaven eigener Ideen werden.
Menschen verrichten Sklavenarbeit auf die Dauer nur dann, wenn sie etwas zum Verdauen haben.
Menschen nutzen das Gehirn bei der Sklavenarbeit
um sich die Arbeit zu erleichtern,
um sich ihr zu entziehen oder
um sich selbst zu versklaven.
Wenn Sklaverei verboten wird, kehrt sie leicht unter anderer Bezeichnung durch die Hintertür zurück.
Sklaventreiber kennen sich damit aus, Zwang auszuüben, meist ohne sich diesem selbst zu unterwerfen.
Sklaventreiber bezeichnen sich selbst nur selten als solche.
Sklaventreiber verstehen sich eher als Inhaber gerechtfertigter Macht.
Sklaventreiber mögen es nicht, wenn ihre Sklaven denken, schon gar nicht, wenn sie über Sklaventreiber nachdenken.

Menschen funktionieren als Gläubige – sagt der Religionsgelehrte.
Menschen übernehmen von Eltern, Lehrern, Schamanen, Priestern und Religionsgelehrten Gedankengebäude,
die ihnen zwar unüberprüfbar, dafür aber subjektiv glaubhaft ein besseres Dasein versprechen,
im Leben und danach.
Menschen haben oft Angst, die Regeln ihrer Religion zu brechen. Diese Angst blockiert das Hinterfragen der Regeln.
Gläubige lassen sich daher leicht versklaven - mit ihrer Religion als Machtmittel.
Menschen leben auf die Dauer nur dann nach den Regeln ihrer Religion, wenn sie etwas zum Verdauen haben.
Menschen fasten manchmal wegen ihrer Religion.
Menschen verdauen dann Teile ihres Körpers – freiwillig.
Menschen, die ihr Gehirn nutzen, um über Religion nachzudenken, werden entweder
fromm oder areligiös oder radikal oder irre oder bescheiden oder arrogant oder
Religionsgelehrte.
Religionsgelehrte glauben oder behaupten, ihre Religion zu kennen. Es gibt aber viele Religionen.
Religionsgelehrte betrachten die Religionsgelehrten aller anderen Religionen als Irrlehrer.
Religionsgelehrte sind aber beleidigt, wenn sie selbst Irrlehrer genannt werden.
Religionsgelehrte abzuschaffen scheint auch schwierig:
Menschengruppen, die areligiös werden, pflegen aus der Geschichte zu verschwinden.

Menschen funktionieren als Zivilisten
oder als Soldaten – sagt der Befehlshaber.
Befehlshaber erteilen eigenen Soldaten Befehle.
Befehlshaber betrachten fremde Soldaten als Feinde.
Befehlshaber bezeichnen ungehorsame eigene Soldaten als Meuterer oder Deserteure.
Befehlshaber befehlen die Bestrafung oder Tötung von Meuterern, Deserteuren und Feinden.
Befehlshaber nennen es Kollateralschaden – oder Massenmord, wenn dabei Zivilisten sterben,
und das abhängig davon, ob sie selbst oder feindliche Befehlshaber die Befehle erteilt haben.
Soldaten gehorchen auf die Dauer nur dann, wenn sie etwas zu Verdauen haben.
Selbstmord-Soldaten hören bei der Ausführung ihres wichtigsten Befehls auf, zu verdauen.
Selbstmord-Soldaten nutzen ihr Gehirn mutmaßlich schon vorher nur eingeschränkt.
Befehlshaber kennen sich mit dem Erteilen von Befehlen aus.
Soldaten können sich rein rechnerisch ihren Befehlshabern immer entziehen, wenn sie das, was ihnen befohlen wird, auf ihre Befehlshaber anwenden.
Befehlshaber fürchten daher Soldaten, die selbständig denken und sich einig sind, weil die
Befehlshaber wissen, was ihnen dann blüht.

Menschen funktionieren als Schlaraffenland – fühlen die Bakterien.
Bakterien können nichts sagen.
Lebende Menschen brauchen „gute Bakterien“ als Beschützer vor „bösen Bakterien“.
Lebende Menschen geben diesen Beschützern ein Zuhause und Nahrung.
Lebende Menschen produzieren Kot, der etwa zu einem Drittel aus Bakterien besteht, die es zum Darmausgang verschlagen hat.
Menschen verschaffen mit ihrem dem Tod den Bakterien die Freiheit, ihre Körper zu verdauen.
Bakterien kommen manchmal nicht dazu, die Körper der Menschen zu verdauen – etwa weil das Krematorium-Feuer die Bakterien daran hindert.

Bakterien kennen sich damit aus, gestorbene Lebewesen zu verdauen und deren Körper wieder dem Kreislauf des Werden und Vergehens zuzuführen.

Bakterien sind darin sehr gerecht.

Bakterien ist es egal, ob die Menschen vorher
Thermodynamiker,
Informatiker,
Biologen, Jäger, Sammler,
forschende Spieler, Philosophen,
Kapitalisten, Marxisten,
Konsumenten, Produzenten, Betriebswirte, Volkswirte,
Sklaven, Sklaventreiber,
Gläubige, Religionsgelehrte, Eltern, Lehrer, Schamanen, Priester, Irrlehrer,
Zivilisten, Soldaten, Befehlshaber, Feinde, Meuterer, Deserteure
oder sonst jemand waren.

Diese Gerechtigkeit kann ihnen keiner nehmen.
Bakterien sind dafür zu dumm.

Bakterien können aber etwas, was Menschen nicht können: ewig leben.

Bakterien können sterben und tun es meist auch, aber sie müssen es nicht.
Bakterien sind potentiell unsterblich.
Bakterien erleiden bei der Teilung nicht den Tod.
Bakterien durchlaufen bei der Teilung einen Wandel, ja einen Jungbrunnen.

Diesen Jungbrunnen hat die Natur schon vor vielen Millionen Jahren erfunden.